Die Darstellung von Maori-Gesichtstätowierungen vom ausgehenden 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
Die einzigartigen Gesichtstätowierungen der um das Jahr 1000 n. Chr. nach Neuseeland eingewanderten Maori üben nicht nur bei erstmaliger Begegnung durch die eindrucksvolle Ornamentik eine momentane Faszination aus, sondern geben auch Anlass die dahinterliegende Sinnhaftigkeit und die näheren Umstände ihrer Aufzeichnung genauer zu erforschen.
Die Geschichte der indigenen Bevölkerung Neuseelands ist geprägt von ihrer kolonialen Vergangenheit und der fatalen Konfrontation mit der westlichen Welt. Begegnungen von Vertretern beider Kulturen führen zu Aufzeichnungen von Mustern und bedeutungsvollen Zeichen in Berichten europäischer Forscher, Siedler und Ethnologen (siehe Abb. 1). Europäische Künstler werden vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Darstellungen namhafter Persönlichkeiten und ihrer Gesichtstätowierungen angehalten (siehe Abb. 2).
Die unterschiedlichen Blickwinkel auf Tätowierungen und die kulturelle Prägung der Betrachter lenken die Wiedergabe von Elementen fremder Lebenswelten und tragen zu Transformationsprozessen und Bedeutungsveränderungen unter asymmetrischen Machtverhältnissen bei. Diese neuen Vorstellungsverknüpfungen und durch den „Westen“ beeinflussten Darstellungsweisen stehen im Zentrum der Untersuchung. Ziel ist es, in der Dissertation von Europäern angefertigte Bilder tätowierter Zeichen, angebracht auf diversen, vor allem aus Europa kommenden Trägermedien mit Hilfe bildtheoretischer Überlegungen zu analysieren und Umformulierungen beziehungsweise neue kulturspezifische Interpretationen aufzuspüren. Der Blick des Betrachters auf das jeweilige Bild ist dabei ausschlaggebend.
Desweiteren soll die Beschäftigung mit Kulturbegriffen, die einerseits zur Entstehungszeit der Bilder relevant waren, anderseits im Rahmen postkolonialistischer Überlegungen reflektiert werden, zur Sichtbarmachung von auf die Kultur der Maori einflussnehmenden Mechanismen beitragen und die Untersuchung divergierender Blickrichtungen auf die Darstellung von Gesichtstätowierungen untermauern. Visuelle Medien können dabei als in komplexe Kulturprozesse involviert beschrieben werden.
Die Dissertation nimmt konkret Bezug auf Zeichnungen in Reiseberichten, auf Fotografien, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt angefertigt wurden, sowie auf von in Europa ausgebildeten Künstlern geschaffene Ölporträts namhafter Vertreter der Maori.
Ilse Weninger-Graf
Univ.-Prof. Dr. Eva Kernbauer