Recherchematerial

Das Fach Kunstgeschichte an der Universität für angewandte Kunst Wien

Kunstgeschichte war seit Aufnahme des Lehrbetriebs der Kunstgewerbeschule im Herbst 1868, ein Jahr nach ihrer Gründung, als Nebenfach für alle Studierenden vorgesehen. Bis zur Einrichtung einer eigenen Lehrkanzel 1974 bzw. der nachfolgenden Einrichtung des Ordinariats für Kunstgeschichte 1999/2000 war eine Reihe von namhaften Kunsthistoriker*innen als Lehrbeauftragte tätig:

1872–76 Albert Ilg, damaliger Kustos am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie; 1876–89 Bruno Bucher, ebenfalls zunächst Kustos, später Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie; Eduard Chmelarz, 1877–88, später Leiter des Kupferstichkabinetts der Hofbibliothek; 1889–1925 Eduard Leisching, Gründer des Wiener Volksbildungsvereins und ab 1909 Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie; 1925–26 Richard Ernst, dortiger Kustos; 1924–58 Anselm Weissenhofer, Priester und ab 1940 Direktor des Erzbischöflichen Dom- und Diözesanmuseums; 1955–74 Gerhart Egger, 1968-80 Leiter der Bibliothek und Kunstblättersammlung und 1981-82 Direktor des Österreichischen Museums für angewandte Kunst; 1969–74 Hanna Dornik-Eger, ab 1982 Leiterin der Bibliothek und Kunstblättersammlung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst.

In Folge der Reform durch das Kunsthochschulgesetz von 1970, das Forschung und wissenschaftliche Lehre als wesentliche Teile der künstlerischen Ausbildung vorsah, wurde 1973 die Lehrkanzel für Kultur- und Geistesgeschichte gegründet. Sie war mit dem Kultur- und Musikwissenschaftler Manfred Wagner besetzt. 1974 wurde die Lehrkanzel für Kunstgeschichte eingerichtet, blieb jedoch vorerst unbesetzt.

1976 trat Peter Gorsen die Lehrkanzel für Kunstgeschichte an. Gorsen gehörte zu den ersten, die sich an den Wiener Hochschulen explizit mit der Kunst der Moderne und Gegenwart befassten. Das Lehrangebot zur gesamten Kunstgeschichte richtete sich an Studierende aller Studienrichtungen. Seit 1986 fanden regelmäßig Vorlesungen und Seminare zur Kunst und Kunsttheorie von Renaissance bis Gegenwart statt, die Mode, Textil, Design oder Alltagsästhetik einschlossen. Für die Einführung in kunstmethodologische Fragen und das exemplarische Lernen durch Kunstbetrachtung an Museumsoriginalen wurden Proseminare eingerichtet.

Gorsens Verständnis von Kunstgeschichte als Mentalitätsgeschichte erschloss bislang ausgesparte Themengebiete wie ästhetische Grenzüberschreitungen in der Art Brut, der Outsider Art und die künstlerische Auseinandersetzung mit Sexualität. Als erster männlicher Akademiker im deutschsprachigen Raum setzte er sich mit „Frauen und Frauenbildern in der Kunstgeschichte“ auseinander. Durch seinen Forschungsschwerpunkt Sexualästhetik bildeten Geschlechterbeziehungen in der Kunst einen wichtigen Schwerpunkt in Forschung und Lehre.

Diese frühe Ausrichtung auf feministische Fragestellungen wurde durch Daniela Hammer-Tugendhat, die bereits 1975 in der kunsthistorischen Lehre tätig war, vertieft und intensiviert. Hammer-Tugendhat begreift Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft, in der die Gender Studies einen wesentlichen Bestandteil darstellen. In Seminaren und Vorlesungen vermittelt sie bis heute, Kunst als Produkt und Produzent von Diskursen und künstlerische Objekte in ihrem jeweiligen historischen Umfeld zu betrachten. Thematisch widmet sie sich der Kunst von der Urgesellschaft bis zur Neuzeit, wobei die Malerei der frühen Neuzeit ihr Hauptarbeitsgebiet bildet. Seit ihrer Habilitation 1993 lehrte sie als ao. Professorin, seit 2013 ist sie Honorarprofessorin.

Nach Peter Gorsens Emeritierung übernahm Gabriele Werner von 2003–2008 die Professur für Kunstgeschichte. Sie erweiterte die transdisziplinäre, gesellschaftsbezogene, feministisch orientierte Ausrichtung in Richtung Bildwissenschaft im Sinne der Integration populärkultureller, technischer und wissenschaftlicher Bilder. Verena Krieger (2008–2011) initiierte neben einer ein breites kunsthistorisches Spektrum umfassenden Lehrtätigkeit umfangreiche Tagungen und Publikationen. Von 2011–2012 leitete Daniela Hammer-Tugendhat die Abteilung, bis Eva Kernbauer 2012 das Ordinariat übernahm. Seit ihrer Berufung hat sich insbesondere die Forschungsaktivität der Abteilung erweitert. Auch hier steht eine klar auf die Gegenwart gerichtete Kunstgeschichte im Vordergrund, die sowohl historische wie gesellschaftsbezogene Kontextualisierungen vornimmt.

In den ersten fünfzehn Jahren der Lehrkanzel hatten alleine Peter Gorsen und Daniela Hammer-Tugendhat die kunsthistorische Lehre zu bestreiten, ab 1978/79 wurden sie von einer Lehrbeauftragten (Angela Völker-Prohaska) dabei unterstützt. Seit dem Studienjahr 1991/92 aber entwickelte sich nach und nach ein Team bzw. eine Abteilung, innerhalb derer einer steigenden Studierendenzahl mit einem breiter aufgefächerten Themenspektrum in der Lehre begegnet werden konnte: zuerst durch zwei weitere Mitarbeiter*innen (Martin Zeiller seit 1991, Renate Vergeiner 1994–2005, ab 2006 Sophie Geretsegger), anschließend durch gelegentliche Gastprofessuren und vermehrt Lehrbeauftragte, durch regelmäßige Lehrtätigkeit von Kunsthistoriker*innen, die die Sammlung der Angewandten betreu(t)en (Patrick Werkner, Bernadette Reinhold). Bis ins Jahr 2020 ist das Team der Abteilung Kunstgeschichte auf acht kontinuierlich Lehrende angewachsen, deren Arbeit durch externe Lehrbeauftragte ergänzt wird.

Stand Februar 2021


Lehrende seit 1974

Friedrich Achleitner
Manuela Ammer
Noit Banai
Anamarija Batista
Dieter Bogner
Kerstin Brandes
Roger M. Buergel
Barbara Clausen
Karl Fischer
Elisabeth Fritz
Hildegard Frübis
Edith Futscher
Sophie Geretsegger
Karin Gludovatz
Peter Gorsen
Boris Groys
Rose-Ann Gush
Doris Guth
Birgit Haehnel
Daniela Hammer-Tugendhat
Kathrin Heinrich
Achim Hochdörfer
Heiderose Hildebrand
Kathrin Hoffmann-Curtius
Barbara Hollendonner
Daniel Hornuff
Katharina Jesberger
Catharina Kahane
Eva Kernbauer
Stefanie Kitzberger
Christian Kravagna
Verena Krieger
Christina Lammer
Sarah Lauß
Heide Leigh-Theisen
Susanne Lummerding
Peter Mahr
Karl-Heinz Menzen
Ruth Noack
Irene Nierhaus
Antonia Rahofer
Bernadette Reinhold
Anne-Katrin Rossberg
Doris Rothauer
Barbara Schrödl
Johanna Schwanberg
Gretchen Simms
Christian Theo Steiner
Ernst Strouhal
Bettina Uppenkamp
Georg Vasold
Renate Vergeiner
Angela Völker-Prohaska
Anselm Wagner
Käthe Wenzel
Patrick Werkner
Gabriele Werner
Christian Witt-Döring
Martin Zeiller
Gerd Zillner
Wolfgang Zinggl


Literatur:

Gerald Bast/Anja Seipenbusch-Hufschmied/Patrick Werkner (Hg.), 150 Jahre Universität für angewandte Kunst Wien. Ästhetik der Veränderung, Berlin/Boston: de Gruyter, 2017.

Daniela Hammer-Tugendhat, „Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft“, in: Gerald Bast/Anja Seipenbusch-Hufschmied/Patrick Werkner (Hg.), 150 Jahre Universität für angewandte Kunst Wien. Ästhetik der Veränderung, Berlin/Boston: de Gruyter, 2017, S. 226–229.

Erika Patka (Hg.), Kunst: Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für angewandte Kunst in Wien 1918–1991, Salzburg/Wien: Residenz-Verlag, 1991.

Christian Reder (Hg.), Die Hochschule für angewandte Kunst in Wien zu Beginn der 90er-Jahre, Wien: Hochschule für angewandte Kunst Wien, 1989.

Gottfried Fliedl (Hg.), Kunst und Lehre am Beginn der Moderne. Die Wiener Kunstgewerbeschule 1867–1918, Salzburg/Wien: Residenz-Verlag, 1986.