OSKAR KOKOSCHKA. Universum Kind
7. Mai – 26. Oktober 2022
Kokoschka Haus Pöchlarn
Die Sonderausstellung 2022 im Kokoschka Haus Pöchlarn setzt sich mit dem für Oskar Kokoschka (1886–1980) zeit seines Lebens so wichtigen Thema Kind in vielfältiger Weise auseinander. Seine bereits sehr früh entstandenen Kinderporträts finden ebenso Niederschlag wie der sehnliche – jedoch unerfüllt gebliebene – Wunsch Kokoschkas nach einem gemeinsamen Kind mit seiner großen Liebe Alma Mahler.
Den Auftrag für das bereits 1909 entstandene Gemälde des knapp sechs Monate alten Fred Goldman, das 2022 das Ausstellungssujet bildet, hatte Kokoschka über Adolf Loos, einen seiner maßgeblichen Förderer der frühen Jahre, erhalten. Über ein halbes Jahrhundert später griff der Künstler dasselbe Motiv in einer Grafik nochmals auf: In der Lithografie werden die Eltern aber nicht mehr nur durch ihre Hände symbolisiert, vielmehr sind nun auch der Kopf des Vaters und die Figur der Mutter im Profil zu sehen.
Im starken Kontrast zu diesem frühen Auftragswerk steht die ganz persönliche Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Thema Kind. Oskar Kokoschkas Illustrationen zu Karl Kraus‘ Essay „Die chinesische Mauer“ sind als Spiegelung des eigenen Seelenlebens zu sehen. In den Blättern verarbeitet er seine schmerzlichen Erlebnisse im Zusammenhang mit Alma Mahlers Abtreibung des gemeinsamen Kindes. Während eine der Grafiken Alma mit dem ersehnten Kind an der Hand zeigt, das zudem Kokoschkas Gesichtszüge trägt, berührt in einem anderen Blatt der Tod das Haupt der Mutter, die ihr abgetriebenes Kind hinter sich zu verbergen sucht.
Stellt im Frühwerk oftmals die Selbstschau, die Auseinandersetzung mit den eigenen Erlebnissen, ein zentrales Moment dar, beschäftigte sich der Maler, Grafiker und Dramatiker in den Prager Jahren und ab 1938 im englischen Exil intensiv mit gesellschaftspolitischen Themen.
Einen wichtigen Bereich der Ausstellung nimmt daher Oskar Kokoschkas lebenslanges humanistisches Engagement für notleidende Kinder und das für ihn so wichtige Feld der Pädagogik ein. Sowohl in seiner künstlerischen Arbeit als auch in Vorträgen, Artikeln und Aufsätzen thematisiert Kokoschka die Rolle des Kindes als Hoffnungsträger für eine bessere zukünftige Gesellschaft. Gleichzeitig stehen Bildungs- und Jugendarbeit sowie eine gewaltfreie Erziehung im Zentrum von Kokoschkas Interesse. „Kindern sollte man ein gutes Buch und nicht Waffen in die Hand geben“, schreibt er im Nachwort zu einem von Anna Maria Jokl verfassten Roman für Kinder im Jahr 1937. Im selben Jahr erschien aus Anlass des Spanischen Bürgerkriegs mit „Helft den baskischen Kindern!“ Kokoschkas erstes politisches Plakat, das zu humanitärem Engagement aufrief.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg initiierte und unterstützte der Künstler wiederholt politisch-humanitäre Aktionen, wobei vor allem notleidende Kinder im Zentrum seiner Bemühungen standen.
Ausgehend von Kokoschkas Lehrtätigkeit an Eugenie Schwarzwalds Reformschule für Mädchen 1911/12 und vor allem seinem Engagement bei der 1943 in London eröffneten Ausstellung „The War As Seen By Children“, die Arbeiten von Flüchtlingskindern zeigte, lenkt die Schau auch einen Blick auf die bekannte Jugendkunstklasse Franz Cizeks. Das seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erhöhte Interesse am künstlerischen Schaffen
des Kindes spiegelt auch die Präsentation von Arbeiten dieser Klasse bei der legendären, von Gustav Klimt organisierten Wiener Kunstschau im Jahr 1908 wider.
Neben zahlreichen Arbeiten Oskar Kokoschkas aus den Bereichen Malerei, Zeichnung und Grafik sind in der Ausstellung auch Fotografien aus dem Kokoschka-Nachlass sowie Werke von Zeitgenossen zu sehen. Die Eigenbestände der Oskar Kokoschka Dokumentation werden durch Leihgaben aus dem Belvedere Wien, dem Museum moderner Kunst Salzburg, der Kunstsammlung der Universität für angewandte Kunst Wien sowie von privaten Sammlern ergänzt.
Kuratorin: Anna Stuhlpfarrer
Eine Ausstellung der Oskar Kokoschka Dokumentation
Pöchlarn in Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst Wien.
7. Mai – 26. Oktober 2022, täglich 10 – 17 Uhr
Regensburger Straße 29,
A-3380 Pöchlarn,
Tel. 02757 / 76 56,
oskar.kokoschka@poechlarn.at
www.oskarkokoschka.at
24.6.2022:
Family Affairs
Kokoschkas Großnichte und Kunstaktivistin Helga Köcher im Gespräch mit Helmuth Neundlinger und Bernadette Reinhold
23.9.2022:
„Genies sind im Lehrplan nicht vorgesehen“
Kokoschka und die Reformschule der Eugenie Schwarzwald, Vortrag von Robert Streibel