Dialektik und Anti-Dialektik
Tagung der Abteilung Philosophie, Universität für angewandte Kunst Wien
21.–23. März 2024
Im Denken der Moderne stehen sich Dialektik und Anti-Dialektik zumeist diametral gegenüber. Dem jeweiligen Anspruch an Wahrheit, Kohärenz in der Argumentation und Stringenz in der ethisch-politischen Positionierung scheint man nur durch ein rigoroses Entweder – Oder nahekommen zu können. Während sich die Dialektik hierbei – im Durchgang durch Negation und Widerspruch – stets als der Königsweg zur Wahrheit stilisierte, will die Anti-Dialektik – in ihren existenzialphilosophischen, pragmatistischen oder auch monistischen Ausprägungen – gerade darin ein Problem sehen, insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Voraussetzungen des dialektischen Denkens selbst. Der Anti-Dialektik ließe sich leicht eine Ausblendung von Widersprüchen und Negativität sowie eine Abhängigkeit von eindimensionalen, eben undialektischen Prozessbegriffen vorwerfen. Doch auch die Dialektik scheint, indem sie konstitutiv die Wahrheit verfehlt, gleichsam in logischer Konsequenz ihre Gegenposition immer wieder aufzurufen. Das heißt, Dialektik und Anti-Dialektik sind stärker miteinander verknüpft als es die je eigenen Rationale wahrhaben wollen. Die Dialektik wird durch ein anti-dialektisches Moment heimgesucht, das ihrer Vermittlung entgeht, während die Anti-Dialektik immer wieder ihre dialektische Vereinnahmung erleidet und doch loszuwerden trachtet. Wie wäre die Wechselseitigkeit dieser Verfehlungen, die Polarität von Dialektik und Anti-Dialektik zu denken? Dialektisch oder antidialektisch? Oder verlangt diese Polarität, die logischen, ontologischen und politischen Dimensionen des Denkens auf neue Art zu problematisieren? Genau das wird die entscheidende Frage unserer Tagung sein.
Mit Beiträgen von/ Papers by:
Helmut Draxler – Der Entzug des Denkens
Antonia Birnbaum – Unordnungen in der Dialektik
Claudia Luchetti – Wie das Antlitz eines Gesichtes in unzähligen Spiegeln. Einheit und Mehrdimensionalität in Platons Dialektik
Jan Völker – Das Selbe und das Andere. Platon, Hegel, Marx
Keti Chukhrov – Cogito Ergo Sum: Performance or Dialectical Reasoning
Eric Alliez – Difference and Negation
Alexi Kukuljevic – The Scission of Form: Locating the Anti-dialectical Kernel of the Dialectic
Ray Brassier – Likeness of the Unlike: Reflection, Mimesis, and Affinity in Adorno’s Negative Dialectics
Marina Vishmidt – Dialectics and Anti-Dialectics: Between Affirmation and Negation
Zeynep Türel – Das Bild des Absoluten ist das Absolute. Zur Dialektik des Bildes in der Spätphilosophie Fichtes
Alexei Penzin – Hegel’s Unruhe and Beyond: Dialectics, Restlessness and Capitalist Modernity
Concept: Antonia Birnbaum and Helmut Draxler
In modern thought, dialectics and anti-dialectics are usually
diametrically opposed. The respective claims to truth, coherence in
argumentation and stringency in ethical-political positioning seem to be
accessible only through a rigorous either-or. While dialectics – in its
passage through negation and contradiction – has always stylized itself
as the royal road to truth, anti-dialectics – in its
existential-philosophical, pragmatist or even monistic forms – wants to
see a problem precisely in this, especially with regard to the different
prerequisites of dialectical thinking itself. It would be easy to
accuse anti-dialectics of ignoring contradictions and negativity and of
being dependent on one-dimensional, non-dialectical concepts of process.
However, by constitutively missing the truth, dialectics also seems to
call up its counter-position again and again as a logical consequence.
In other words, dialectics and anti-dialectics are more closely linked
than their respective rationales would like to admit. Dialectics is
haunted by an anti-dialectical moment that escapes its mediation, while
anti-dialectics repeatedly suffers its dialectical appropriation whilst
striving to get rid of it. How should the reciprocity of these failures,
the polarity of dialectics and anti-dialectics, be conceived?
Dialectical or anti-dialectical? Or does this polarity require us to
problematize the logical, ontological and political dimensions of
thought in a new way? This will be the decisive question of our
conference.
21.–23.03.2024
Universität für angewandte Kunst Wien, Hörsaal 1 (Fersteltrakt), Oskar-Kokoschka-Platz 2, 1010 Wien